Inhaltsverzeichnis
- Was ist der Annapurna Circuit?
- Tag 1: mit dem Bus von Kathmandu nach Besisahar
- Tag 2: Jagat – Tal (6,36 km ↑460 m ↓110 m)
- Tag 3: Tal – Timang (17,2 km↑1.090 m ↓150 m)
- Tag 4: Timang – Dhirkur Pokhari (19,5 km↑850 m ↓290 m)
- Tag 5: Dhirkur Pokhari – Ngawal (13,6 km↑740 m ↓270 m)
- Tag 6: Nagwal – Manang (9,65 km↑170 m ↓290 m)
- Tag 7: Manang Akklimatisierungstag (3.400 Meter)
- Tag 8: Manang (failed 5,79 km↑250 m ↓250 m)
- Tag 9: Manang – Yak Kharka (9,87 km↑540 m ↓60 m)
- Tag 10: Yak Kharka – Thorung Phedi (6,99 km↑500 m ↓30 m)
- Tag 11: Thorong La Pass 5.416 Meter (15 km↑870 m ↓1.730 m)
- Tag 12: Muktinath – Jomson (19,1 km↑300 m 1.200 m)
- Tag 13: Jomson – Tatopani – Kharka (8,31 km ↑730m ↓50m)
- Tag 14: Shikha – Ghorepani (8,16 km ↑ 950m ↓30m)
- Tag 15: Sonnenaufgang auf dem Poonhill – Ulleri (10,85km ↑ 330m ↓1.140m)
- Entspannung in Pokhara
Reisebericht über unsere 15-tägige Wanderung auf dem Annapurna Circuit in Nepal im Oktober 2023
Als erstes Land auf unserer open End Weltreise, die wir im September 2023 starteten, haben wir Nepal ausgewählt. Einmal im Himalaya wandern, ist schon lange unser großer Traum. In diesem Reisebericht über den Annapurna Circuit Trek in Nepal erfährst du, wie es uns auf dieser 15 Tage langen Wanderung im höchsten Gebirge der Welt ergangen hat. Der Annapurna Circuit hat uns definitiv an unsere physischen und mentalen Grenzen gebracht – und doch war es ein wundervolles und unvergessliches Abenteuer! Viel Spaß beim Lesen unseres Reiseberichts.
Was ist der Annapurna Circuit?
Der Annapurna Circuit ist eine beliebte Trekkingroute in Nepal, die um das Annapurna-Massiv führt. Die Wanderung erstreckt sich über 12 bis 21 Tage und führt durch vielfältige Landschaften von subtropischen Wäldern bis zu Hochgebirgswüsten. Unterwegs entdeckt man malerische Dörfer, buddhistische Klöster und hinduistische Tempel. Der Höhepunkt des Treks ist der Thorong La Pass auf 5.416 Metern Höhe. Unterwegs bieten zahlreiche Teehäuser und Lodges Unterkünfte und leckeres Essen. Um den Annapurna Circuit zu wandern, benötigt man das Annapurna Conservation Area Permit (ACAP), welches vorab in Kathmandu oder Pokhara beim Tourist Information Center für 3000 Rupie (rund 21€) erhältlich ist.
Tag 1: mit dem Bus von Kathmandu nach Besisahar
Um 05:00 Uhr klingelt der Wecker. Heute brechen wir endlich zu unserer Wanderung, dem Annapurna Circuit, auf. Wir checken aus und geben unser übriges Gepäck im Hostel ab, wo wir in der Zwischenzeit ein paar Klamotten lagern können. Unser Guide Shera ist pünktlich um 6 Uhr bei uns im Hostel und wir fahren gemeinsam mit dem Taxi zum Busterminal. Dort nehmen wir den öffentlichen Bus von Kathmandu nach Besisahar.
Es ist ein regnerischer Tag und beim Busterminal angekommen, warten bereits viele Einheimische und andere Reisende auf ihre Busse. Mit dem „Local Bus“ geht es nach Besisahar, dem letzten Ort, der mit dem öffentlichen Bus angefahren wird. Danach kommt man nur noch mit dem Jeep weiter und unser Plan ist, nachmittags noch den Jeep nach Jagat zu nehmen.
Es dauert ziemlich lange, bis wir aufgrund der vielen Haltestellen aus Kathmandu draußen sind. Auf der mit Schlaglöchern und Steinen übersäten Straße fährt der Bus nicht schneller als 30 bis 40 Km/h. Meistens sind wir nur im Schritttempo unterwegs, weil die Straße so schlecht ist oder es sich staut. Auf der Strecke nach Besisahar und Pokhara wird fleißig gebaut und so durchqueren wir viele Baustellen mit aufgerissenen Straßen. Um 13 Uhr ist etwas mehr als die Hälfte der 200 Kilometer geschafft und wir machen Mittagspause. Es gibt gebratene Nudeln, Kartoffeln und Kichererbsen vom Buffet und wir zahlen 3,50€ für zwei Portionen. Sehr lecker.
Um 17 Uhr kommen wir nach 10 Stunden Fahrt in Besisahar an. Dort die Nachricht: Heute fährt leider kein Jeep mehr nach Jagat. Also nehmen wir uns in Besisahar ein Zimmer und reisen morgen früh weiter.
Tag 2: Jagat – Tal (6,36 km ↑460 m ↓110 m)
Nach zwei Stunden Jeepfahrt durch tiefe Schlaglöcher und Flüsse sind wir am Wasserfall angekommen, wo unsere Wanderung beginnt. Und es geht sofort am ersten Tag knackig los: nach 2 Stunden Wandern haben wir schon 6,68 km und die ersten 460 Höhenmeter überwunden. Es ist 15 Uhr und wir beschließen in der kleinen Ortschaft Tal zu übernachten. Es hat heute den ganzen Tag geregnet. Hoffentlich können unsere Sachen bis morgen etwas trocknen, auch wenn für den nächsten Tag ebenso Dauerregen vorhergesagt ist.
Zum Abendessen gibt es Dal Bhat, das nepalesische Nationalgericht, bestehend aus Linsensuppe, Reis, Kartoffeln und dem Gemüse der Saison.
Tag 3: Tal – Timang (17,2 km↑1.090 m ↓150 m)
Es regnet in Strömen und aufgrund der Wassermassen, die in breiten Wasserfällen die Berge runter rauschen, ist der Strom ausgefallen. Unser Gastgeber im Teahouse erzählt uns, dass er alles neu aufbauen musste. Vor drei Jahren gab es einen Erdrutsch und sein Gasthaus sowie der angrenzende Shop wurden komplett zerstört. Er zeigt uns Fotos, wie es vor und nach dem Erdrutsch ausgesehen hat. Von der Ortschaft Tal war 2020 nicht mehr viel übrig.
Der heutige Wandertag ist hart: Überflutete Straßen, wadentiefe Pfützen und wir mussten unter zwei Wasserfällen durchlaufen. Wir sind bis zur Unterhose nass und haben kaum noch trockene Klamotten. Highlight des Tages waren Affen, die in den Bäumen über und neben uns gehüpft sind.
Tag 4: Timang – Dhirkur Pokhari (19,5 km↑850 m ↓290 m)
In Timang angekommen freuen wir uns über den Holzofen im Gastzimmer und können dort unsere Klamotten, Schuhe und den Schlafsack trocknen. Bisher machen auch unsere Körper gut mit und bis auf müde Beine tut uns nichts weiter weh.
Am vierten Tag des Annapurna Circuits werden wir von der Sonne geweckt und zum Frühstück gibt es Apfelporrigde und Tee mit Blick auf den Manaslu. Der Manaslu ist mit 8.163 Metern Höhe der achthöchste Berg der Erde. Später sehen wir noch den Annapurna 2 mit 7.937 Metern Höhe. Wir wandern knapp 20 Kilometer durch Wälder und Dörfer, immer begleitet von atemberaubendem Bergpanorama. Sogar Apfelbaumplantagen gibt es hier auf über 2.000 Meter.
In Chame auf 2.650 Meter kehren wir zur Teepause ein. Unsere heutige Unterkunft ist ganz neu und super schön. Nur leider müssen wir auf die angekündigte warme Dusche verzichten und wieder kalt duschen.
Tag 5: Dhirkur Pokhari – Ngawal (13,6 km↑740 m ↓270 m)
Los geht’s, den ganzen Tag bei bestem Wetter und immer mit Blick auf den gigantischen Annapurna 2. Hammer! Wir wandern los auf 3.160 Meter und werden heute noch auf 3.800 Meter sein. Nach einer Stunde sind wir in Upper Pisang und laufen hoch zum Kloster auf 3.300m. Da wird die Luft schon dünner und ich merke, wie ich total mit mir selbst beschäftigt bin: tief einatmen, möglichst nicht stehen bleiben und in kleinen Schritten vorankommen. Meine Knie sind schon ganz weich. Es fühlt sich an, als komme die Luft nicht ganz bei den Zehen und im Kopf an, wie gewohnt. Sobald man stehen bleibt, pocht das Herz ganz schnell. Nach Upper Pisang steigen wir wieder ab und wandern ein hübsches Stückchen ohne große Steigung durch den Fichtenwald und mit Blick auf den Green Lake. Wir beobachten die Einheimischen bei der Ernte. Das Getreide wird noch ganz klassisch mit dem Korb auf dem Rücken transportiert.
Einer der anstrengendsten Abschnitte des Annapurna Circuits
Unser Guide Shera kündigt uns für den nächsten Abschnitt eine Stunde steil bergauf klettern an. Und der Anstieg hat es wirklich in sich: 400 Höhenmeter in 1,5 Kilometer. Das war definitiv eines der anstrengendsten Abschnitte des gesamten Annapurna Circuits. Teilweise war es so steil, dass wir seitlich gehen mussten. Kleine Schritte, einatmen, ausatmen. Und das auf 3.400m. Aber es gibt kein Zurück, wir kommen da hoch! Dem Annapurna kommen wir gefühlt auch immer näher. Das Bergmassiv türmt sich neben uns auf und ist zum Greifen nah.
In Ghyaru auf 3.800 Metern angekommen gibt es sogar eine Bäckerei. Der Besitzer verkündet fröhlich, dass er gerade Cinnamon Rolls in den Ofen geschoben hat – in 15 Minuten sind sie fertig. Mega! Daran hätte ich nach diesem anstrengenden Aufstieg im Traum nicht gedacht. Also genehmigen wir uns zuerst eine Knoblauchsuppe gegen die Höhenkrankheit und dann frische Zimtschnecken.
Knoblauchsuppe gegen die Höhenkrankheit
4-5 Liter Wasser täglich und Knoblauchsuppe sollen der AMS (acute mountain sickness), also der Höhenkrankheit, vorbeugen. Die Höhenkrankheit kann ab einer Höhe von 2.000 Metern auftreten und sollte in jedem Fall ernst genommen werden. Leichte Anzeichen sind: Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlafprobleme. Um einem schwerwiegenden Verlauf vorzubeugen, ist es unumgänglich, langsam aufzusteigen und sich ausreichend zu akklimatisieren. Die Schlafhöhe sollte täglich nicht über 500 Meter zum Vortag liegen und alle 1.000 Höhenmeter ist ein Akklimatisierungstag notwendig. Im schlimmsten Fall riskiert man sonst ein Höhenhirnödem (HACE) oder ein Höhenlungenödem (HAPE).
Nachmittags laufen wir noch weitere 5 Kilometer nach Ngawal. Immer wieder gibt es kleine Steigungen, aber der Wanderweg ist sehr gut und wir genießen das herrliche Bergpanorama bei Sonnenschein. Dafür lohnt sich die Anstrengung und ich könnte eine Freudenträne verdrücken.
Trotz Sonnencreme haben wir mittlerweile einen ziemlichen Sonnenbrand im Nacken und auf den Händen, die Sonne ist hier wirklich extrem stark. In Nagwal kommen wir wieder in einer sehr schönen Unterkunft unter. Mit Blick auf die Berge und einem ganz besonderen Highlight: die erste heiße Dusche nach fünf Tagen. Um 18 Uhr wird es schon wieder dunkel und wir gehen in den geheizten Aufenthaltsraum, wo auch unser Abendessen serviert wird. Es gibt Knoblauchsuppe und Spaghetti. Das Essen in den Teehäusern ist wirklich immer sehr vielfältig und lecker. Das überwiegend vegetarische Angebot reicht von Suppen, über Kartoffelgerichte und Nudeln bis hin zum Vegi Burger mit Pommes. Und nicht zu vergessen: Dhal Bat.
Nachdem wir mit zwei witzigen Australiern Karten gespielt haben, fallen wir todmüde ins Bett und freuen uns schon auf den nächsten Tag. Morgen geht es nach Manang – dort machen wir einen Tag Pause zum Akklimatisieren.
Tag 6: Nagwal – Manang (9,65 km↑170 m ↓290 m)
Erkältung im Anmarsch
Wir sind heute „nur“ 10 Kilometer von Ngawal nach Manang gelaufen und es ging die meiste Zeit bergab. Nichst desto trotz war ich ziemlich schlecht gelaunt: Halsschmerzen, Ohrenschmerzen, Schnupfen – da ist eine Erkältung im Anmarsch.
Wir kommen Mittags im Tilicho Hotel in Manang an. Einen Tag Pause brauche ich gerade mehr als alles andere. Zum Glück bleiben wir morgen hier auf 3.400 Meter in Manang, um uns zu akklimatisieren. Wir waschen unsere Wäsche im Waschbecken und hängen die Klamotten zum Trocknen in die Sonne.
High Altitude Talk in Manang
Nachmittags um drei Uhr findet in Manang täglich ein “High Altitude Talk” statt. Freiwillige Ärzte verbringen mehrere Monate in dem Bergdorf, um die Einheimischen und Wanderer medizinisch zu versorgen. Ein Volunteer Doctor aus UK hält den heutigen Höhenvortrag, der bis auf den letzten Platz sehr gut besucht ist. Anschaulich erzählt er von den Risiken der Höhenkrankheit, erklärt, welche Fehler man auf dieser Höhe beim Wandern unbedingt vermeiden soll und beantwortet Fragen. Der High Altitude Talk ist sehr interessant und wirklich zu empfehlen.
Tag 7: Manang Akklimatisierungstag (3.400 Meter)
Wir wachen auf und – Ohje! Auch Stefan ist richtig erkältet. Ich fühle mich richtig krank und verbringe den Vormittag im Bett.
In Manang gibt es German Bakery’s mit leckerem Gebäck und Kaffee. Wir bestellen uns zwei Liter Ingwer-Zitronen-Tee und hoffen, dass es uns damit morgen besser geht. Unsere kleine Akklimatisierungwanderung verschieben wir auf den Nachmittag. Um den Körper weiter an die Höhe zu gewöhnen, laufen wir ohne Gepäck zur 200 Meter höhergelegenen Stupa mit tollem Ausblick auf Manang und die Berge. Nach der kleinen Wanderung trinken wir noch einen leckeren Cappuccino in der Bäckerei und erholen uns danach weiter, um morgen wieder fit zu sein.
Tag 8: Manang (failed 5,79 km↑250 m ↓250 m)
Ich wache auf und fühle mich gar nicht fit. Alles ist zu, ich habe Halsschmerzen und Ohrenschmerzen – das kann ja was werden heute. Wir frühstücken in der hoteleigenen Bäckerei und ich lasse mir meine Thermoskanne mit heißem Tee auffüllen. Ein Druckausgleich ist weit entfernt und die Ohren schmerzen. Stefan ist auch verschnupft, fühlt sich aber gut zum Wandern. Ich denke, es geht schon irgendwie und wir laufen los. Ohne Power hänge ich Shera und Stefan weit hinterher. Nach ein paar Kilometern passe ich: Wir müssen umdrehen, meine Ohrenschmerzen sind zu schlimm.
In Manang zum Arzt
Manang ist die letzte Ortschaft, die man mit dem Jeep erreichen kann und wo es einen Arzt gibt. Ich suche den Doktor, der auch gestern den Höhen-Vortrag gehalten hat, auf. Er macht in diesem Zuge gleich einen kompletten Gesundheitscheck und misst auch den Sauerstoffgehalt in meinem Blut. Ergebnis: 90% – sehr gut akklimatisiert! Aber mein linkes Ohr ist entzündet. Der freundliche Volunteer Arzt gibt mir Ohrentropfen und Nasenspray und ich lege mich den restlichen Tag ins Bett.
Tag 9: Manang – Yak Kharka (9,87 km↑540 m ↓60 m)
Ich fühle mich etwas besser und möchte die 10 Kilometer von Manang (3.400m) nach Yak Kharka (4.000m) heute schaffen.
Shera macht uns Mut und sagt, die Strecke ist „Nepali Flat“. Das bedeutet, es geht bergauf – aber nicht zu krass. Nepalesisches flach eben. Wir treffen unheimlich viele andere Wanderer, die auf halber Strecke von Tilicho Lake kommen und unseren Weg kreuzen. Die Tage zuvor waren wir auf dem Wanderweg meist alleine unterwegs. Ab heute füllt sich der Annapurna Circuit Trek und wir wandern immer in Gesellschaft.
Mittags kommen wir in Yak Kharka auf 4.000 Meter Höhe an und es ist mittlerweile viel kälter und windiger als die Tage zuvor. Wir haben wieder eine richtig schöne Unterkunft, sogar erstmalig mit eigener Toilette. So gibt’s wieder leckeres Dal Bhat und Knoblauchsuppe zum Mittagesssen und wir nutzen den restlichen Tag zur Erholung.
Tag 10: Yak Kharka – Thorung Phedi (6,99 km↑500 m ↓30 m)
Die Nacht war sehr unruhig und kurz. Wir sind oft aufgewacht und haben nach Luft geschnappt. Teilweise wollte ich mich schon gar nicht mehr umdrehen, weil ich wusste, ich wache sowieso gleich wieder auf, um tief Luft zu holen. Schlafen auf 4.000 Metern ist definitiv nicht ohne.
Heute stehen nur 7 Kilometer und 500 Höhenmeter von 4.000 m auf 4.500 Meter an. Für mich war das mental die schwierigste Etappe. Die Luft ist super dünn und ich komme nur mit Mini-Schritten vorwärts. Stefan ist total motiviert und mir oft weit voraus. Irgendwann beschließe ich, Musik zu hören, was mich auch wieder etwas motiviert. Mein Ohr schmerzt mittlerweile dank Antibiotikatropfen und Schmerztabletten nicht mehr, aber ich bin trotzdem noch angeschlagen.
Für die 7 Kilometer haben wir 4 Stunden gebraucht. Dabei ging es heute auch durch den gefährlichsten Abschnitt: einer 500 Meter langen Landslide Area. Zügig durchqueren wir das Geröllfeld und sind wachsam, dass sich von oben kein Stein löst, der uns treffen könnte. Puh- Geschafft! Endlich sind wir in Thorong Phedi angekommen und ich habe keine Kraft mehr. Viele Wanderer schlafen im High Camp nochmal 400 Meter höher, um morgen am Pass Tag weniger Höhenmeter überwinden zu müssen. Das kommt für mich heute nicht mehr infrage und ich bin froh, den restlichen Tag dick eingepackt im Gemeinschaftsraum sitzen zu können. Wir unterhalten uns gut mit anderen Wanderern, die wir während der Tour immer wieder treffen.
Stefan hatte den ganzen Annapurna Circuit keine Anzeichen der Höhenkrankheit. Bei mir schlichen sich bei Ankunft in Thorung Phedi auf 4.400 Meter leichte Kopfschmerzen ein, welche sich aber im Laufe des Nachmittags wieder gelegt haben.
Es ist sehr kalt und wir tragen unsere dicksten Klamotten. Heute Nacht um 4 Uhr geht es über den Thorong La Pass auf 5.416m. Wir sind sehr gespannt, wie das morgen wird. Ich habe großen Respekt und bin mir ehrlich gesagt gar nicht sicher, ob ich das schaffe, wenn der heutige Tag schon so krass war. Aber es gibt eigentlich keine andere Option, als morgen Nachmittag in Muktinath, auf der anderen Seite des Passes, anzukommen. 3 Stunden Aufstieg und 1.500 Höhenmeter zum Pass auf dieser Höhe wird das Anstrengendste, was wir je gemacht haben. Dazu kommt die Kälte unter dem Gefrierpunkt.
Aber wir bleiben optimistisch und sind guter Dinge, dass wir es ganz langsam aber sicher schaffen können.
Tag 11: Thorong La Pass 5.416 Meter (15 km↑870 m ↓1.730 m)
Der Wecker klingelt um 03:30 Uhr und ich habe auf 4.500m besser geschlafen, als die Nacht zuvor auf 4.000m. Auch wenn es richtig kalt war und wir unsere wärmsten Klamotten, inklusive Daunenjacke, trugen.
Wir frühstücken warmes Apfelporridge und füllen die Thermoskanne mit Tee auf. Rucksack auf den Rücken, Stirnlampe auf und hoch geht‘s zum Thorong La Pass!
Mit uns starten noch viele andere und es entwickelt sich eine Kolonne, die mit kleinen Schritten den Berg hochwandert. Als Erstes müssen wir das High Camp erreichen. Gleich zu Beginn geht es 400 Höhenmeter richtig steil nach oben. Nach eineinhalb Stunden erreichen wir das Thorong La High Camp auf 4.800 Metern und legen die erste Teepause ein. Es hat -8 °C und der Boden ist gefroren. Shera bietet mir an, die Rucksäcke zu tauschen. Seiner ist leichter als meiner und ich freue mich über das nette Angebot von ihm.
Weniger anstrengend ist es mit dem leichten Rucksack aber leider auch nicht und wir müssen alle paar Meter stehen bleiben und kurz durchatmen. Die Luft ist extrem dünn. Es lässt sich schwer beschreiben, wie sich die dünne Luft anfühlt. Wenn man auf 5.000 Metern auf einem geraden Stück normal läuft, ist man schon nach ein paar Schritten komplett aus der Puste und muss stehen bleiben. Auch das Herz schlägt schneller.
Eine Ewigkeit bis zum Thorung La Pass
Um 7 Uhr erreichen wir nach ca. 3 Kilometern ein kleines Teahouse und wärmen uns mit Tee auf. Die Sonne geht langsam über den Achttausendern auf und das Panorama ist unbeschreiblich schön. Schritt für Schritt laufen wir weiter. In maximal 2 Stunden sind wir am Pass, meint unser Guide. Auch wenn wir uns heute beide physisch und mental sehr fit fühlen, ist es super anstrengend und uns geht alle paar Schritte die Luft aus.
Der Weg zum Pass kommt uns wie eine Ewigkeit vor und ich sage mir die ganze Zeit: „Irgendwann kommen wir an, irgendwann. Haben ja Zeit“. Und dann, ziemlich unverhofft, meint Shera:“Da oben, nur noch um die Ecke, das ist der Pass!“ Wir sehen schon die Gebetsfahnen in der Ferne und können es gar nicht glauben. Ich würde jetzt gerne schneller laufen, um endlich anzukommen, aber das gibt die dünne Luft nicht her. Umso schneller man geht, umso länger muss man nach kürzester Zeit wieder Pause machen, bis sich der Puls und der Atem wieder normalisiert haben.
Am Thorong La Pass angekommen, liegen sich alle in den Armen und machen Fotos. Auch wir verdrücken ein paar Freudentränen. Dieser Tag war so lange in weiter Ferne und heute haben wir es tatsächlich geschafft! Wir sind von 1.300 Meter auf 5.416 Meter gewandert. Nachdem wir das alles realisiert haben, reihen auch wir uns in die Schlange vor dem Schild ein, um noch ein Erinnerungsfoto zu machen.
Abstieg nach Muktinath
Nach dem Pass geht es bis Muktinath 10 Kilometer nach unten und die Landschaft verändert sich komplett. Es ist sehr trocken und steinig und Schnee liegt hier Mitte Oktober auf über 5.000 Meter auch fast keiner.
Das Absteigen macht Spaß und mit jedem Schritt wird die Luft wieder mehr. Um 13 Uhr sind wir schon fast angekommen und legen eine Mittagspause ein. Wir befinden uns jetzt in der Region Lower Mustang und genießen den Ausblick auf die malerischen Dörfer in dem grünen Tal. Muktinath, wo wir heute übernachten, ist ein bedeutender Pilgerort für Hinduisten mit vielen heiligen Quellen. Es gibt keine geteerten Straßen und das Pferd ist noch gängiges Verkehrsmittel.
In der Unterkunft angekommen, freuen wir uns über die erste Dusche seit drei Tagen.
Tag 12: Muktinath – Jomson (19,1 km↑300 m 1.200 m)
Die letzten vier Tage brechen an. Heute laufen wir nach Jomson und das Wetter könnte besser nicht sein: Sonnenschein und eine neue Bergkette am Horizont. Zuerst geht es nochmal ziemlich bergauf, aber der Ausblick ist wieder einmal atemberaubend.
Dann geht es drei Stunden bergab, und zwar teilweise so steil, dass wir aufpassen müssen, nicht hinzufallen. Wir laufen durch das Flussbett unten im Tal, welches wir von oben schon sehen konnten. Also rein in den ausgetrockneten Fluss mit seinem schwarzen Boden.
Auf einmal taucht ein alter Bekannter auf: ein kleiner schwarzer Hund mit drei weißen Pfoten. Den Vierbeiner haben wir vor drei Tagen schon in Yak Kharka im Guesthouse gesehen. Er ist abends in die warme Stube gekommen und ließ sich von allen streicheln. Heute taucht er auf einmal wieder auf und begleitet uns eine Weile. Wie schön! Das heißt, der Hund ist auch über den Pass auf 5.416 Meter gelaufen.
In dem abgeschiedenen Ort „Lupra“ neben dem Flussbett machen wir Mittag. Im Anschluss besucht Shera mit uns eine Meditationshöhle. Am Hang sieht man Gebetsfahnen und kleine Höhlen, die mit Wegen miteinander verbunden sind. Shera erzählt uns, hier hat mal jemand drei Jahre meditiert. Ob man danach noch gesellschaftsfähig ist? Die dunklen Höhlen sind sporadisch eingerichtet, sehr kühl, mit kleiner Holzkochstelle und einer harten Matratze.
Nachdem wir von den Meditationshölen wieder runtergeklettert sind, wandern wir weiter durchs Windy Valley. Na ja, ein bisschen windig, denke ich mir. Haha! Es war so stürmisch, wir mussten bergab gegen den Wind anlaufen. Und später auf der Straße wurde es dann richtig unschön. Busse und Jeeps überholen uns und wirbeln den ganzen Staub auf. Die Staubwolken und den Wind halten wir nur mit Tuch vorm Gesicht aus. Angenehm waren die letzten beiden Stunden nicht und wir sind froh, als wir endlich in Jomson angekommen sind. Dort ist es leider gar nicht so einfach eine Unterkunft zu finden, weil alles ausgebucht ist. Letztendlich ziehen Stefan und Shera nochmal los und finden ein freies Zimmer in einem Hotel. Das teuerste auf der ganzen Wanderung. Vom Zimmer im fünften Stock haben wir einen Ausblick auf die Landebahn des Flughafens in Jomson. Bei dem Wind möchte ich hier nicht mit einer Propellermaschine fliegen.
Tag 13: Jomson – Tatopani – Kharka (8,31 km ↑730m ↓50m)
Wir fahren mit dem Bus nach Tatopani, um den Krankheitstag in Manang und die verspätete Abreise zu Beginn reinzuholen. Somit überspringen wir 2 Etappen, die wir ohnehin nur auf der Straße laufen hätten müssen. Shera konnte uns noch drei hart umkämpfte Bustickets besorgen. Da wusste ich noch nicht, dass das die schlimmste Busfahrt meines Lebens wird.
Wir fahren mit dem local Bus und unsere Rucksäcke müssen auf dem Dach Platz finden. Zu Beginn halten wir oft an und Einheimische steigen zu. Danach wird’s abenteuerlich: circa 200m geht es den Abgrund neben uns steil nach unten, ohne Leitplanke oder sonstige Absperrung. Die Fahrbahn ist eine schmale Schotterstraße. Uns hebt es ununterbrochen aus den Sitzen, wenn der Bus über Steine und durch Schlaglöcher fährt. Ich male mir aus, wie der Bus den Abhang runterfällt, wenn wir nur einen halben Meter weiter links fahren. Nach 4 Stunden haben wir die 50 Kilometer überstanden und ich bin heilfroh, dass wir gut in Tatopani angekommen sind. Shera meinte, es hat auf der Strecke noch nie einen Unfall gegeben…
Nach dem Mittagessen wandern wir los nach Shika. Es geht 7 Kilometer ausnahmslos bergauf. Von 1.200 auf über 2.000m. Wenn ich nicht wüsste, dass uns in zwei Tagen der spektakuläre Sonnenaufgang auf dem Poonhill erwarten soll, würde ich mich wirklich fragen, warum wir uns das zum Schluss noch antun.
Die Landschaft ist wieder sehr grün und die Temparaturen angenehm warm. Reisterrassen, Bananenbäume und grüne Wiesen und Wälder schmücken das Panorama. Nach vier Stunden Wanderung kommen wir in dem hübschen kleinen Örtchen Shika an und haben wieder eine schicke Unterkunft mit eigenem Badezimmer und warmer Dusche.
Tag 14: Shikha – Ghorepani (8,16 km ↑ 950m ↓30m)
Ach, nur 8 Kilometer dachten wir uns beim vorletzten Frühstück auf dem Annapurna Circuit. Da war uns noch nicht bewusst, dass wir die nächsten vier Stunden nur Treppensteigen werden. Ziemlich anstrengend und zum Glück kommen wir Mittags schon an. Der Ort Ghorepani besteht ebenfalls nur aus Treppen und wir müssen nochmal einige Stufen nach oben klettern, bis wir beim „Nice View Hotel“ angekommen sind. Das ist gleich neben dem „Super View Hotel“. Schade nur, dass der Nebel heute den Nice View verdeckt. Hoffentlich verziehen sich die Wolken bis zum Sonnenaufgang morgen früh.
Nach Ghorepani kommen auch viele 2 – 3 Tagestouristen aus Pokhara. Die 45 Minuten lange Wanderung auf den Aussichtspunkt Poonhill ist relativ einfach und man hat einen spektakulären Blick auf Annapurna und den Dhaulagiri.
Tag 15: Sonnenaufgang auf dem Poonhill – Ulleri (10,85km ↑ 330m ↓1.140m)
Wir stehen um 04:30 Uhr auf und steigen danach 45 Minuten Treppen zum Aussichtspunkt Poonhill. Dort verdeckt der Nebel die Achttausender und unsere Hoffnung auf einen schönen Sonnenaufgang schwindet. Aber dann, pünktlich zur blauen Stunde, lichtet sich der Nebel und wir haben einen spektakulären Sonnenaufgang mit atemberaubendem Bergpanorama. Das sieht so toll aus, wir machen mindestens 500 Bilder. Der perfekte Abschluss unserer 15-tägigen Himalaya-Wanderung!
Nach dem Frühstück wandern wir runter nach Ulleri und nehmen dort den Jeep nach Pokhara.
Die Jeepfahrt ist zu Beginn wieder sehr abenteuerlich und wackelig, bis in Nayapul eine geteerte Straße anfängt. Nach circa 3 Stunden erreichen wir Pokhara, die zweitgrößte Stadt in Nepal. Dort verabschieden wir uns von Shera, unserem Guide, und bedanken uns für die unvergesslichen 15 Tage auf dem Annapurna Circuit. Dieses Abenteuer wird uns unser Leben lang in guter Erinnerung bleiben.
Entspannung in Pokhara
Pokhara ist viel ruhiger als Kathmandu und mit vielen leckeren Restaurants und Shops auf Touristen ausgelegt. Hier verbringen wir vier Tage am Phewa Lake, laufen durch die Straßen und nutzen die Zeit um zu entspannen.
Den nächsten Beitrag werde ich von einem anderen Kontinent schreiben und wir freuen uns jetzt schon sehr auf das nächste Abenteuer in… Down Under!
Carina, Kathmandu 22.10.2023